Wie ein Bild entsteht

Hier möchte ich beispielhaft anhand des Bildes „Bahn verpasst“ erklären, wie ein Bild der Small World Realities entstehen kann.
Das Ganze beginnt entweder mit einer Idee, die es dann umzusetzen gilt, oder Figuren im Maßstab 1:87. Wenn ich eine solche bereits besitze und dazu eine Idee habe, geht es auf die Suche nach dem passenden Ambiente. Es kann auch sein, dass ich eine Figur sehe und direkt eine Idee zu einem Bild entsteht und ich dann diese Figur kaufe.
Meist ist es allerdings so, dass ich etwas sehe, das kann ein bestimmter Ort oder Platz sein, eine Begebenheit oder Situation, etwas im Fernsehen, alles Mögliche und dann ist plötzlich eine Idee da.
Die fahrende Bahn und das passende Ambiente
Hier bei diesem Bild war es so, dass ich vor einigen Jahren ein Foto mit Langzeitbelichtung gemacht habe, dass einen fahrenden ICE zeigt, der den Bahnhof Montabaur verlässt.
Das Bild wurde im Dunkeln gemacht und die Bildwirkung und die eigentlich eher blassen Farben des ICE wirken sehr gut. Durch die Langzeitbelichtung sieht man einen langen Streifen, in dem man allerdings einwandfrei den ICE erkennen kann.

Eine Zeitlang habe ich viel im Dunkeln fotografiert. Nachtaufnahmen von Straßen, fahrenden Autos, nächtliche Beleuchtung von Kreuzungen, Industrieanlagen, Leuchtreklamen. Dabei stolperte ich über die Straßenbahnhaltestelle auf der Bonner Südbrücke, einer Autobahnbrücke, die über den Rhein und die Bonner Rheinaue führt. Diese Haltestelle liegt mittig zwischen den Fahrbahnen und man erreicht über ein Rollband die Rheinaue, das Bonner Naherholungsgebiet, in dem im Sommer zum Beispiel Konzerte stattfinden. Die Station war alt, stylisch, mit roten, blauen und grünen Akzenten. Im Dunkeln fotografiert, ein echter Hingucker. Dazu vielleicht rechts und links auf der Autobahn Lichtspuren von Autos. Bilder, die eine tolle Stimmung vermitteln. Inzwischen wurde diese Haltestelle leider modernisiert und ist so langweilig, dass es bestimmt 20 Jahre dauert, bis da wieder jemand Fotos macht.

Die ursprüngliche Idee des Bildes „Bahn verpasst“ war nun ein ‚Zusammensetzen‘ aus diesen zwei Bausteinen – einer fahrenden, verwischten Bahn und der daraus entstehenden Dynamik, sowie dem Ambiente dieser Bahnstation. Letzteres ist aus zweierlei Gründen zugegebenermaßen nicht ganz gelungen. Zum einen, weil das Foto nicht im Dunkeln gemacht wurde und zum anderen passte der Winkel nicht. Wenn man die Bahn fotografieren will, blickt man von der Station weg. Dies hätte ich ausgleichen können, wenn ich am anderen Ende der Station gestanden hätte, aber zum Zeitpunkt des Fotografierens herrschte an der Station ein stetes Kommen und Gehen. So viel zum Umsetzen einer Idee…
Die Figur
Mir kam es jedoch darauf an, die Figur ohne Menschen im Hintergrund darzustellen, um das Alleinsein mit der Situation noch stärker zu betonen.
Nun stand also ungefähr fest, wie das fertige Bild aussehen sollte. Bahnstation, fahrende ‚dynamische‘ Bahn, Figur.
Tja, die Figur. Wie sollte die sein? Bahn verpassen heißt, ich bin zu spät. Das bedeutet, ich renne. Also brauchte ich eine Figur, die läuft. Natürlich am besten keinen Jogger. Den hatte ich zwar schon, aber ich suchte eine Figur, die als Bahnpendler zu erkennen ist. Ein Büromensch. Und diese Figur gab es tatsächlich. Mit Tasche und wehendem Mantel, perfekt!
Gesagt, getan, gekauft.
Jetzt muss man wissen, dass es nur bestimmte Figuren als Einzelfiguren für ca. € 5,- zu kaufen gibt, meistens enthalten die Packungen 5 – 6 Figuren, die im gleichen Kontext stehen. Diese Packungen kosten dann zwischen € 12,- und € 20,-! Wohlgemerkt, wir reden von Figuren in 1:87, die sind ca. 20 mm groß.

Dafür bekommt man dann also mehrere Figuren, die, wie in diesem Fall, alle laufen oder rennen.
Da kann man sich dann schon die nächste Szenerie ausdenken…
Laufende Frauen, Männer, Kinder. Einige der Frauen sind dann im Bild „Superbelly und der Dinosaurier“ vor dem Dino weggelaufen.
So entstehen dann Bilder auf die andere Weise. Was mache ich mit dieser Figur?
Fluch und Segen zugleich ist dann, dass man binnen kürzester Zeit jede Menge Figuren hat. Zusammen mit dem nötigen Beiwerk wie Autos, Tieren, Accessoires, Kleber, Stöckchen zum Befestigen, und, und, und…

Das bringt dann auch jede Menge neue Ideen, geht aber auch ganz schön ins Geld und man ist schnell mit nichts Anderem mehr beschäftigt!
Das Ganze sorgt aber auch dafür, dass man irgendwann für fast alles die richtige Figur hat.
Tja, fast, außer man denkt sich einen Superhelden aus. Dann braucht man Figuren, die möglichst nah rankommen an die erdachte Figur, denn sonst heißt es umbauen, Arme von anderen Figuren benutzen, oder in andere Richtungen bringen, abschneiden, neu ankleben, anmalen!

Anderes Thema…
Wie ein Bild entsteht, oder das Zusammensetzen der Komponenten Figur und Hintergrund
Zurück zur verpassten Bahn. Nun hatte ich eine Idee, eine passende Figur und einen Tag ausgesucht, an dem keine Sonne schien, aber dennoch ein nicht zu grauer und eintöniger Himmel vorherrschte. Merke: nichts ist für Fotografen schlimmer als ein eintöniger Himmel, blau oder grau spielt da keine Rolle.
Was ich allerdings nicht bedacht hatte, es war Berufsverkehr und irgendeine Veranstaltung in der Rheinaue, ergo: Menschen! Ohne Ende Menschen!
Nun wollte ich aber nicht länger warten und auch nicht noch einmal wiederkommen, also Figur in einem guten Winkel aufgestellt, der Bahn nachlaufend, einen Testshot mit der ersten Bahn gemacht, etwas korrigiert und auf die zweite Bahn gewartet. Zur Erinnerung, rundum stehen Leute und warten auf die Bahn, treffen Freunde, sammeln sich für das Konzert…
Und du liegst auf dem Bauch auf dem Bahnsteig und machst dein Ding. Natürlich denken alle, der spinnt. Aber das darf dich dann nicht stören, mach dein Foto!!!
So ähnlich war das bei dem Bild „Don Camillo“.

Mitten in Salzburg ist dieser alte Friedhof. San Sebastian. Hier liegen Vater und Ehefrau von Wolfgang Amadeus Mozart, Paracelsus und jede Menge andere Prominente begraben. Umgeben ist der Friedhof von einem Kreuzgang, in dessen Wänden viele Gräber eingelassen sind. Man kann sich vorstellen, was an einem schönen Sommertag da los ist!
Und wer liegt da nun mit einer winzigen Figur und seiner Kamera am Boden und versucht ein Foto ohne Passanten zu machen? Na klar, ich natürlich…
Aber so kommt man wunderbar mit den Leuten ins Gespräch – und das macht es oft aus.
Meist schwindet die Skepsis der Neugier, wenn die Leute die Kamera sehen. Dann wird aus „spinnt der?“ möglicherweise ein interessantes Gespräch. Dann kann es auch schon mal sein, dass man gar kein Bild macht, sondern sich nur unterhält…
Besondere Schwierigkeiten und Herausforderungen
Der Aufbau eines Bildes der Small World Realities bedeutet also die Darstellung einer kleinen Figur in unserer normal großen Umwelt. Wir erinnern uns, ca. 20 mm groß, das ist etwa die Länge des ersten Gliedes eines Zeigefingers, oder weniger.
Die Herausforderung lässt sich in den meisten Fällen nur mit einem Weitwinkelobjektiv lösen, sonst hat man entweder eine erkennbar große Figur und wenig Drumherum, oder ein schönes Landschaftsfoto und eine so winzige Figur, dass man sie fast nicht sehen kann.
Ich nutze für die meisten Bilder ein 17 bis 28er Weitwinkel an meiner Vollformatkamera. Damit gelingen fast alle Aufnahmen. Allerdings liebäugele ich noch mit einem Fisheye – Objektiv für noch mehr Hintergrund bei größer darstellbarer Figur…
Die Technik
Des Weiteren hat man dann die Wahl zwischen einem verschwommenen oder einem scharf dargestellten Hintergrund. Dies hängt davon ab, was das fertige Bild ausdrücken soll. Bei dem Bild „The Bum“ habe ich die Alkoholflaschen im Hintergrund (die ich übrigens nicht arrangiert, sondern exakt so vorgefunden habe) bewusst unscharf gehalten, um die Gefahr des Alkohols so darzustellen, wie wir sie wahrnehmen, unscharf. Hasch, KO – Tropfen, Crack, ja sogar Tabak nehmen wir als schlimme Drogen wahr, die Gefahren der Alltagsdroge Alkohol nehmen wir nur diffus wahr…

Bei anderen Bildern soll der Hintergrund scharf sein, da er einen direkten Konsens zur Figur bildet oder bilden soll. Als Beispiel das Bild „Herkulesaufgabe“.

Hier ist der Hintergrund essentiell für die Bildwirkung, schließlich soll die Aussichtslosigkeit seiner Arbeit klar zum Ausdruck kommen.
Bei solchen Bildern arbeite ich meist mit einer Langzeitbelichtung und oft mit relativ geschlossener Blende. So stelle ich eine große Bildtiefe scharf dar und bekomme trotzdem ein gut belichtetes Foto, erst Recht in geschlossenen Räumen, wie bei der Herkulesaufgabe.
Belichtungszeit: 5 sec / Blende F19 / Brennweite 17 mm
Ganz zu schweigen von Fotos, die im Dunkeln aufgenommen worden sind, wobei ich da oft mit höherer ISO – Zahl arbeite. Dann sind die Aufnahmewerte ähnlich, nur die ISO – Zahl ist vielleicht bei 1000 – 2500, statt 100. Zu bedenken ist dann wiederum, je höher die ISO – Zahl, desto mehr nimmt die Bildqualität ab. Bei der Canon 5D Mk. III ist das zum Glück kein Problem.
Zu guter Letzt
Soweit mein Exkurs in die Entstehung einiger meiner Small World Realities Bilder.
Dies war dennoch nur ein kleiner Einblick. Im Grunde gibt es zu jedem Bild und dessen Entstehung eine Geschichte zu erzählen und das macht es so spannend. Als Betrachter der Bilder sieht man das alles nicht und man macht sich bestenfalls Gedanken über die Aktion der kleinen Leute in teils grotesken Situationen und einer immer zu großen Umwelt. Mir bringen die Bilder immer interessante, lustige und manchmal auch schwer lösbare Probleme und Begleitumstände zurück in Erinnerung, an denen man auch schon mal verzweifeln kann. Wind ist ganz schlimm und muss noch nicht mal stark sein. Es gibt Ideen, die ich in all der Zeit noch nicht zu meiner Zufriedenheit umgesetzt habe. Zu windig, Regen, zu wenig Sonne, zu viel Sonne, der Hintergrund war doch nicht der Richtige, die ausgesuchten Hilfsmittel versagen, kein Nerv mehr! Da fährt man dann eventuell zwei-, dreimal an eine Location und dann möglicherweise auch zwei-, dreimal unverrichteter Dinge wieder weg. Auch wenn diese Location 20 – 30 Kilometer weit weg ist. Es ist zum Verzweifeln!
Eigentlich fahre ich jedes Jahr ein- bis zweimal ans Meer. Ostsee oder Nordsee. Seit Jahren schweben mir da einige Bilder vor, keines davon habe ich bisher so gemacht, wie ich mir das vorgestellt habe.
Meist klebe ich die Figuren mit Klebstoff fest. Auf Geländern, an Wänden, wo immer nötig. Dies sind dann auch zwingend erforderliche Nachbearbeitungen in Photoshop. Nicht etwa Schärfe, Helligkeit u. ä. Das natürlich auch manchmal, aber fast immer gilt es, den Kleber weg zu retuschieren.
Oft sind das die einzigen Spuren, die übrigbleiben, wenn das Bild im Kasten ist, die Figuren wieder in ihrer Box sind und ich die Kamera einpacke, zwei kleine weiße Kleckse Prittkleber…
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